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  • AutorenbildElvira Schmidt

Gibt es ein kreatives Geheimnis ? oder mit „schrägen Vögeln“ auf Zeitreise

Was Menschen immer wieder fragen, wenn sie ein Bild von mir betrachten, ist die Frage nach dem Entstehungsprozess. Sie wollen begreifen, verstehen und fühlen, was da eigentlich passiert im Atelier, beim Zeichnen & Malen ?


Nun versuche ich mich zu erinnern:

Wie war das eigentlich bei dem allerersten Bild auf Holz, das entstand und den Titel trug: „Was heißt hier schräge Vögel?“


Die Vorgeschichte: Begeben wir uns also auf eine Zeitreise !


Es ist das Jahr 2012 und auf meinen Arbeitstisch in meinem Chiemgauer Atelierzimmer, liegt ein Brett.

Aus einem Grund, den ich damals noch nicht kenne, klopft mein Herz bis zum Hals. Was ich noch nicht weiß zu diesem Zeitpunkt ist, dass ich gleich etwas finden werde, was mein Leben, bis heute prägt.


Das Brett wäre weggeworfen worden, wenn ich es nicht vor einer Woche bei einem befreundeten Antikhändler vom Anhänger gerettet und in meinen Fiat Seicento geladen hätte. Mit vielen, vielen, vielen anderen tropfnassen und dreckigen Brettern übrigens.

Das war vor ein paar Wochen. Ich war gerade aus Berlin wiedergekommen und hatte dort Künstler gesehen, die auf Holz malten. Auf Möbelteilen, Brettern und Türchen… Es war, als ob eine innere Glocke schrillte.


Holz, vielmehr gebrauchtes Holz, als Untergrund? Anstatt gekaufte Leinwände und Papiere?

Der Gedanke ließ mich nicht mehr los.


Ich saß auf einem Fundus an Skizzenbüchern


Seit meiner Abizeit hatte ich immer ein Skizzenbuch in Arbeit. Sobald ich einen Stift auf das Papier setzte, entstanden verrückte Welten, skurrile Wesen, aber auch Menschen und Tiere, die es so oder ähnlich wirklich geben konnte. Auch Gedanken und kurze Texte, genauso wie Eitrittskarten etc. fanden dort ihren Platz. Ebenso experimentierte ich, mal wild, mal still mit verschiedenen Farben und Collagematerial.

Nach und nach hatte sich ein Skizzenbuch nach dem anderen gefüllt und eine ansehnliche Sammlung bevölkerte meine Bücherregale.

Aber, das Problem war:

Skizzenbücher kann man schlecht ausstellen.

Fakt war jedoch: Ich wollte ausstellen.


Und dann…

kam das Holz.


Mit den Augen zuhören

Nun ist die Ateliertür geschlossen und das Brett liegt gereinigt, getrocknet und still auf dem Tisch vor mir. Die Musik ist abgestellt. Von draußen sind nur leise ein paar Vögel zu hören.

Ich blicke ich auf Astlöcher, Abschabungen, Verdunklungen. Je länger ich auf die Oberfläche schaue, umso mehr erzählt mir das Holz und umso mehr ist wahrzunehmen. Es ist benutzt worden, etwas ist darauf herumgeschrammt, ein Stück am Rand ist weggebrochen… Es gibt helle Flecken, Risse, Kratzspuren, rauhe und glatte Stellen und Abplatzungen. Die Vielgestaltigkeit einer Oberfläche, lässt mich staunen.

Immer wieder.


Und dann beginnt das Zeichnen - Schräge Vögel werden lebendig

Nach einiger Zeit, manchmal sind es zehn Minuten, manchmal nur zwei, bleibt der Blick an einer dieser Oberflächenstrukturen hängen. In diesem Fall ist es ein Astloch. Das Auge hat einen Anfangspunkt gefunden und der Bleistift, der unruhig zu vibrieren scheint, folgt den Umrissen, dieses Loches. Dann will die Linie weiter. Es formen sich nach und nach ein Kopf, von dem Federn abstehen, ein Schnabel, ein Körper, lange Storchenfüße. Das Auge und er Bleistift wollen weiter.

Das nächste Auge, meistens ist es das Auge mit dem die Figur beginnt, wird umrandet. Ein etwas anderer Kopf entsteht, ein etwas lang gezogenerer Körper, stachelige Schwanzfedern…aaaahhhh, anscheinend auch noch ein paar Kopffedern, ähnlich denen eines Pfaus. Inzwischen gibt es kein Denken mehr, sondern nur noch ein Folgen. Meine Hand folgt dem Stift, in ziemlich zügigem Tempo.

In diesem Fall entstehen lauter etwas schräge Vögel. Einer nach dem anderen. Insgesamt sind es sechs Figuren. Einer groß, einer kleiner, einer dicker und strubbeliger und so weiter… Der Bleistift schöpft spürbar aus dem in Fundus der Skizzenbücher. Einige der Gestalten, die sich auf einmal aus dem Holz erheben und lebendig werden, kommen mir sehr bekannt vor.

Dann ein kurzes Innehalten. Irgendwie schaut jeder Vogel den anderen an und scheint zu denken: Was ist das denn für einer? Obwohl er selbst auch total schräg aussieht.

„Was heißt hier schräge Vögel?“ blitzt es in den Kopf und ich muss lachen. Das wird erstmal der Arbeitstitel.

In diesem Fall, bleibt er.


Was dann folgt sind, aufgeklebte Elemente aus Fundbüchern und schließlich der in mehreren lasierenden Farbschichten aufgetragene Himmel. Dann ist das Personal dran. Federn werden farbig, nach und nach. Die Körper natürlich auch.


Und dann ist es irgendwann fertig. Mein erstes Bild auf Holz und ich spüre:

DAS ist es!

JETZT kommt alles zusammen.

DAS kann man ausstellen!


Alles, was ich machen muss, ist Entscheidungen zu treffen

Jedes Holz ist wie ein ungeschminktes Gesicht… Die Oberfläche erzählt Geschichten. Und ich will es nicht überschminken, abschmirgeln, „schöner machen“. Sondern ihm zuhören und aus diesen geflüsterten Geschichten etwas Neues erschaffen. Mit all seinen Vergangenheitsspuren macht es Angebote.

Alles, was ich machen muss, ist Entscheidungen zu treffen, welche Impulse auf das Brett kommen und lebendig werden dürfen.

Und diese können auch von Tag zu Tag unterschiedlich sein.

So könnte theoretisch aus demselben Brett an einem Tag ein völlig anderes Bild entstehen, als am nächsten.

An einem Tag scheint beispielsweise draußen die Sonne, an einem steht Novembernebel vor der Werkstatt. Das persönliche interne Wetter ist eben natürlichen Schwankungen unterworfen. Und das beeinflusst natürlich die Wahrnehmung. An einem Tag fallen besonders die großen, augenscheinlichen Formen auf, am nächsten sind es die zarten, feinen Schattierungen und Strukturen, die einen in den Bann ziehen.


Und was ist nun mit dem Geheimnis?

Wahrscheinlich gibt es das gar nicht, das universelle „Kreative Geheimnis“.

Es gibt viele.

Und meines könnte folgendes sein:


In die Stille gehen und die vergangene Zeit wahrnehmen.

Schließlich den Zeitspuren folgen.

Irgendwann einen Ruck spüren und mit Herzklopfen den Bleistift ansetzen. Linien entstehen lassen, dort wo man etwas sieht.


Wenn etwas erscheint, das einen Lächeln lässt, berührt oder auch staunen lässt, dann gilt es dort weiterzumachen.

Denn dann werden dies auch die zukünftigen Betrachterinnen und Betrachter spüren können.


Und so, wird es immer weiter gehen.

Denn …

die Faszination wächst weiter.

Von Holz zu Holz.



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